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Die Aphasie wird nach Huber als zentrale Sprachstörungen definiert, die alle expressiven (Sprechen, Schreiben) und rezeptiven (auditives Sprachverständnis, Lesesinnverständnis) Modalitäten der Sprachverarbeitung betrifft. Linguistisch können Formen der Aphasie als Störungen der unterschiedlichen Komponenten des sprachlichen Systems – Phonologie, Lexikon, Syntax und Semantik – dargestellt werden. Im deutschen Sprachraum wird die Aphasie oft mittels des Aachener Aphasie Tests klassifiziert, wobei die Beurteilung der syntaktischen Struktur der Spontansprache und des Untertests Sprachverständnis entscheidend für die Zuordnung einer Symptomatik zu einem Syndrom sind. Aphasien, die durch Schlaganfälle entstehen (etwa 80% der Fälle), werden in vier Standardsyndrome unterteilt:
  • amnestische Aphasie
  • Broca-Aphasie
  • Wernicke-Aphasie
  • globale Aphasie
Daneben werden vier Sonderformen und die nicht klassifizierbaren Aphasien unterschieden. In der folgenden Kurzdarstellung werden die Merkmale der Spontansprache und der Kommunikationsfähigkeit, die diese aphasischen Syndrome kennzeichnen, zusammengefasst. Die amnestische Aphasie ist die leichteste Aphasieform, die die Kommunikationsfähigkeit der Patienten am wenigsten beeinträchtigt. Bei flüssiger Sprache und weitgehend intaktem Satzbau fallen insbesondere Wortfindungsstörungen auf, die oft mit Ersatzstrategien, wie Umschreibungen und Ausweichen auf Floskeln oder auf Wörter ohne spezifische Bedeutung, überdeckt werden. Außerdem können semantische Paraphasien1 mit nur geringer bedeutungsmäßiger Abweichung vom Zielwort auftreten. Phonematische Paraphasien kommen hingegen nur selten vor. Das Sprachverständnis ist zumeist nur geringfügig gestört. 1 Falsche Wahl eines Wortes der gleichen syntaktischen Kategorie, das zum intendierten Wort in einer bedeutungsähnlichen Beziehung stehen kann Leitsymptom der Broca-Aphasie ist der Agrammatismus: In den Äußerungen fehlen oft Funktionswörter (z.B. Artikel, Pronomen, Präpositionen) und Flexionsendungen, es entsteht der sogenannte Telegrammstil. Die Wörter sind oft lautlich verändert oder fehlerhaft. Laut Huber  sprechen die Patienten unflüssig, verlangsamt und mit starker Sprachanstrengung. Bei schlechter Artikulation, gestörtem Wortakzent und abweichender Satzmelodie treten zahlreiche phonematische Paraphasien2 auf. Das Sprachverständnis ist, verglichen mit den starken expressiven Beeinträchtigungen, relativ gut erhalten. 2 Lautliche Veränderung eines Wortes durch Substituierung, Auslassung, Umstellung oder Hinzufügung einzelner Laute Das Syndrom der Wernicke-Aphasie beschreiben Huber anhand folgender Leitsymptome: Viele Wernicke-Aphasiker bringen bei einer weitgehend unbeeinträchtigten Artikulation und Prosodie3 viele phonematische und/oder semantische Paraphasien hervor, die zum Teil grob vom Zielwort abweichen. Häufig werden Wortneubildungen (Neologismen4) produziert. Die Patienten haben einen gut erhaltenen Sprachfluss, häufig sogar eine überschießende Sprachproduktion, weisen aber oft einen Paragrammatismus auf: Die Satzteile und Gliedsätze werden – bei flüssiger Rede – nicht grammatisch regelgerecht miteinander verknüpft. Das Sprachverständnis ist erheblich gestört. Insgesamt ist die Kommunikationsfähigkeit der Wernicke-Aphasiker stark eingeschränkt. 3 Gesamtheit spezifischer sprachlicher Eigenschaften wie Akzent, Intonation, Quantität, (Sprech-)Pausen 4 Neubildungen von Inhaltswörtern in Übereinstimmung mit sprachspezifischen phonotaktischen Strukturen, die aber weder zum Lexikon gehören noch eine Beziehung zum intendierten Wort erkennen lassen Die schwerste Form der Aphasie stellt die globale Aphasie dar, die die sprachliche Kommunikation fast unmöglich macht. Sprachproduktion und Sprachverständnis sind gleichermaßen stark betroffen. Globalaphasiker können sich häufig nur in geringem Umfang, sehr stockend und unter großer Anstrengung äußern, wobei Artikulation und Prosodie oft schwer beeinträchtigt sind. Die Spontansprache besteht fast vollständig aus Sprachautomatismen5 und Stereotypien6. Bei den wenigen Wörtern, die darüber hinaus produziert werden, handelt es sich zumeist um Neologismen oder Echolalien7. Die Neigung zur Perseveration8 ist ausgeprägt. Die syntaktische Struktur der Äußerungen ist in vielen Fällen nicht beurteilbar. 5 Mehrfach wiederkehrende formstarre Äußerung, (…) die weder lexikalisch noch syntaktisch in den sprachlichen Kontext passt und die der Patient gegen die vom Gesprächspartner erwartete Intention hervorbringt 6 Formstarre Floskeln, die mehrfach wiederkehren, aber meistens der Sprechsituation angemessen eingesetzt werden 7 Wiederholen von Äußerungen des Untersuchers mit oder ohne leichte Umstellung in Wortstellung und Wortwahl 8 Serialisierungsfehler, bei dem eine bereits geäußerte Rede- bzw. Versprecher-Einheit unwillkürlich ein zweites Mal geäußert wird Neben den vier großen Standardsyndromen der Aphasien gibt es vier Sonderformen, die relativ selten auftreten: die Leitungsaphasie, die transkortikal-sensorische sowie die gemischt-transkortikale Aphasie. Leitungsaphasiker sprechen flüssig, produzieren aber viele phonematische Paraphasien. Die Patienten zeigen eine unverhältnismäßig schwere Störung beim Nachsprechen. Die Art der Fehler beim lauten Lesen und Schreiben ist der beim Nachsprechen ähnlich, ihre Anzahl ist aber deutlich geringer. Das Sprachverständnis ist insgesamt wenig beeinträchtigt. Huber et al. sehen als Kennzeichen aller transkortikalen Aphasien das signifikant besser (als alle anderen Ergebnisse der AAT-Untertests) erhaltene Nachsprechen an. Die Patienten mit einer transkortikal-sensorischen Aphasie haben schwere Sprachverständnisstörungen bei einer durch semantische Paraphasien, Echolalien und Wortfindungsstörungen gekennzeichneten Spontansprache, wohingegen Patienten mit einer transkortikal-motorischen Aphasie kaum spontan sprechen und über eine intaktes Sprachverständnis verfügen. Die gemischt-transkortikale Aphasie zeichnet sich durch eine geringe, nicht-flüssige Sprachproduktion bei starken Sprachverständnisstörungen aus. Die Klinik am Osterbach ist eine Neurologische Rehabilitationsklinik mit einer großen Sprachtherapeutischen Abteilung. Alle oben genannten Aphasieformen können hier behandelt werden. Durch eine möglichst früh einsetzende Sprachtherapie können die Sprachstörungen gebessert werden. Die Therapien finden in der Rehabilitationsphase mindestens einmal täglich in einer Eins-zu-eins-Besetzung statt. Dabei kommen neben Bild-, Text- und gegenständlichen Materialien auch computergestützte Verfahren zum Einsatz. Die Einzeltherapie wird nach Möglichkeit durch eine Gruppentherapie mit anderen Aphasiepatienten ergänzt. Wir freuen uns, Sie in unserem Haus begrüßen zu können. Hartmut Kreft Klinischer Linguist