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Einleitung
Krankheitsbild
Betroffene Körperteile
Typischerweise ist zunächst die Muskulatur des Gesichts ("fazio") und der Schultern ("skapulo") betroffen, gefolgt von der Fußhebermuskulatur und der Hüftmuskulatur. Dabei ist das Ausmaß sehr unterschiedlich, es können über Jahre kaum fortschreitende Schwächen der Gesichtsmuskulatur vorliegen bis hin zu schweren Lähmungen der Körpermuskulatur. Besonders charakteristisch ist eine Asymmetrie der Schwächen. Sowohl im Gesichtsbereich wie auch im Schultergürtel sind sie meist seitendifferent ausgeprägt. Die Schwächen nehmen typischerweise zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr langsam zu. Etwa 10 bis 20% der Patienten sind im Verlauf auf den Rollstuhl angewiesen, zumeist nur für längere Wegstrecken. Die Lebenserwartung ist in der Regel normal. Die Patienten merken als Folge der Erkrankung, dass das Arbeiten über dem Kopf erschwert oder gar nicht möglich ist, beispielsweise beim Aufhängen von Wäsche. Auch das Aufrichten aus der Hocke oder das Steigen auf einen Stuhl ist oft nur mit Mühe oder gar nicht möglich. Kontrakturen (Verminderung des Bewegungsumfangs) der Gelenke können vorkommen, sind aber nicht schwerer ausgeprägt. Die Schwäche der Gesichtsmuskulatur wird auch als Facies myopathica bezeichnet. Sie betrifft vor allem die die Augen und den Mund umgebenden Muskeln, so dass beispielsweise Augenschluss und Pfeifen beeinträchtigt oder nicht möglich sind. Zungen-, Kau- und Schluckmuskulatur sind dagegen nicht betroffen. Die Lähmungen der Schultermuskulatur führen typischerweise zu einer nicht ausreichenden Fixierung des Schulterblattes am Rumpf. Das Schulterblatt steht dadurch beim Heben des Armes vom Rumpf ab. Durch diese Instabilität, die als Scapula alata bezeichnet wird, ist die Armhebung erheblich vermindert. Der Delta-Muskel dagegen ist meist sehr gut ausgeprägt. Erst später im Verlauf ist auch die Oberarm-Muskulatur ("humeral") betroffen. Typischerweise ist die Atemmuskulatur bei der fazioskapulohumeralen Muskeldystrophie nicht beeinträchtigt.Weitere betroffene Systeme
Neben der Muskulatur können auch andere Systeme des Körpers von der fazioskapulohumeralen Muskeldystrophie betroffen sein. So liegen bei vielen Patienten Hörstörungen im Hochtonbereich vor, die aber oft nicht bemerkt werden. In sehr seltenen Fällen führen Veränderungen der Gefäße des Auges zu Sehstörungen, dies wurde bislang nur bei wenigen Familien beschrieben. Wie bei anderen Muskeldystrophien wurde selten auch bei der fazio-skapulo-humeralen Muskeldystrophie eine Mitbeteiligung des Herzmuskels beschrieben, jedoch ist dies ungewöhnlich und muss eher an das Vorliegen einer anderen Muskelerkrankung denken lassen. In einer Studie von van Dijk und Mitarbeitern aus den Niederlanden wurde ein so genannter inkompletter Rechtsschenkelblock häufig beobachtet. Auswirkungen auf die Funktionen und Leistungsfähigkeit des Herzens ergeben sich dabei aber auch in dem Beobachtungszeitraum von 8 Jahren nicht. Bei sehr ausgeprägten Schäden des betroffenen Bereichs auf dem Chromsom 4 können auch epileptische Anfälle auftreten, dies ist aber ein sehr seltenes Symptom.Diagnostik
Genetik

In den letzten Jahren hat die genetische Diagnostik der fazioskapulohumeralen Muskeldystrophie wichtige Fortschritte gemacht. Die häufigste Variante der Erkrankung, die FSHD1, ist mit Veränderungen am Genort 4q35 verbunden. Dabei bedeutet die 4, dass es sich um Chromosom 4 handelt, q weist auf den langen Arm des Chromosoms hin.
Es wurde zunächst ein unterschiedlich ausgeprägter Verlust von DNS (Deoxyribonukleinsäure), eine sogenannte Deletion, in dem genannten Genort am Ende des langen Arms des Chromosoms 4 beschrieben. Dabei wurde die Länge von DNS-Fragmenten untersucht, die durch Spaltung durch bestimmte Enzyme erreicht wird. Die Länge der Fragmente nach Spaltung durch das Enzym EcoRi beträgt bei Patienten mit fazioskapulohumeraler Muskeldystrophie unter 35 kb, meist unter 28 kb (kb = kilobasen). Beim Gesunden beträgt die Länge über 35 bis zu 500 kb. Personen mit Neumutationen, also bei denen keine weiteren betroffenen Familienmitglieder bekannt sind, haben in der Regel kleinere EcoRi-Fragmente. Daraus resultiert auch, dass sie in der Regel schwerer betroffenen sind, als bei familiär vererbten Formen.
Inzwischen ist klarer, was diese Verkürzung zur Folge hat. In dem Bereich gibt es Wiederholungsstrukturen, die so genannte D4Z4-Region. Sind mehr als zehn solcher Wiederholungsstrukturen vorhanden, wird das dort vorhandene DUX4-Gen stillgelegt. Sind weniger vorhanden, wird das DUX4-Gen aktiv. Es handelt sich bei dem Gen um ein so genanntes Apoptose-Gen. Apoptose stellt einen gezielten und vom Körper geplanten und gesteuerten Zelltod dar. Die Aktivität des DUX4-Gens wird aber nach der Geburt nicht mehr gebraucht. Im Gegenteil, sie ist schädlich, man geht heute davon aus, dass sie zur fazioskapulohumeralen Muskeldystrophie führt, aber nur wenn weiter zum Ende des Chromosoms (Telomer) hin eine Sequenz vorliegt, die Allel A genannt wird.
- Bei 1 bis 3 solcher Repeats wird häufig ein schwerer Verlauf mit Beginn typischerweise vor dem 10. Lebensjahr festgestellt.
- Bei 4 bis 7 Repeats sind die Verläufe sehr unterschiedlich, so gibt es 50-jährige Träger der genetischen Veränderung, die keine Symptomatik aufweisen. 60% der Träger haben aber eine Beteiligung
- Bei 8 bis 10 Repeats ist ein milder Verlauf zu erwarten, häufig ohne Symptome, oder die Symptome bleiben auf die oberen Extremitäten beschränkt.
Therapie
Die Montpellier-Studie
Da auch vermehrter oxidativer Stress als eine Ursache im Ablauf der Erkrankung angesehen wird, wurde in Montpellier eine Studie initiiert, bei der mit 500 mg Vitamin C, 400 mg Vitamin E, 25 mg Zink-Gluconat und 200 µg Selenmethionin, allesamt Nahrungsergänzungsmittel, gegeben wurden, die so genannte Montpellier-Studie. 26 Personen erhielten die Substanzen für 16 Wochen, 27 Personen erhielten Placebo. Das Hauptkriterium, die in 2 Minuten bewältigte Gehstrecke, blieb unverändert, die maximale Kraft und die Ausdauer besserten sich gering, aber signifikant. Um eine ausreichende Beurteilung der Wirksamkeit zu erreichen, muss das Ergebnis einer größeren Folgestudie abgewartet werden. Da die Kombination Auswirkungen auf die Wirksamkeit von Medikamenten (z.B. Antibiotika, Cisplatin, Antidiabetika, Cholesterinsenker (Statine) und Gerinnungshemmer) oder auf Autoimmunerkrankungen haben kann, sollte vor dem Einsatz der Substanzen in Eigenregie der Hausarzt zur Unbedenklichkeit im Einzelfall gefragt werden.Studie zum Effekt von Albuterol
Untersuchungen mit Prednison, Albuterol und Diltiazem erbrachten keinen signifikanten Effekt.Eine randomisierte doppelblinde und placebo-kontrollierte, also nach heute gültigen Anforderungen durchgeführte Studie zum Effekt von Albuterol von Kissel und Mitarbeitern, Department of Neurology der Ohio State University, Columbus/USA, wurde im Oktober 2001 veröffentlicht. Dabei führte die Gabe von Albuterol für die Dauer eines Jahres nicht zu einer allgemeinen Verbesserung der Kraft, wohl aber speziell der Griffstärke und die Muskelmasse. Das Medikament wurde gut vertragen, Nebenwirkungen waren insbesondere Muskelkrämpfe, Zittern, Schlafstörungen und Nervosität. Bei Albuterol handelt es sich um ein sogenanntes beta-2-Mimetikum, das in der Behandlung des Asthma bronchiale eingesetzt wird. Es gehört zu den Anabolika und wurde auch im Doping von Sportlern verwendet. Insgesamt ist das Medikament derzeit nicht allgemein für die Erkrankung zu empfehlen, weitere Untersuchungen sind notwendig. Zugelassen ist das Medikament für diese Indikation ebenfalls nicht.
Prednison
In einer kleinen Studie konnte Prednison, ein Kortison-Präparat in einer Dosis von 1,5 mg/kg Körpergewicht pro Tag über 12 Wochen gegeben, nicht zu einer Verbesserung der Kraft führen. Nach heutiger Kenntnis gehört also Kortison nicht in die Behandlung der fazioskapulohumeralen Muskeldystrophie.Kreatin
Tierversuche ergaben Hinweise, dass der Einsatz von Kreatin sich bei neuromuskulären Erkrankungen günstig auswirken kann. Die Substanz ist für den Energiestoffwechsel der Muskeln wichtig. Es wird eingesetzt als Nahrungsergänzung von Sportlern, um damit die maximale Leistungsfähigkeit des Muskels zu verlängern und die Erholungszeit nach Anstrengung zu verkürzen. Es konnten auch bei neuromuskulären Erkrankungen positive Effekte, bei verschiedenen Untersuchungen aber schließlich doch widersprüchliche Ergebnisse, festgestellt werden. In Anbetracht des günstigen Nebenwirkungsprofils kann Kreatin zusätzlich zu der übrigen Therapie versuchsweise eingesetzt werden. Vor dem Einsatz sollte aber noch mit dem Hausarzt gesprochen werden, ob es im individuellen Fall Bedenken gegen das Präparat gibt. Wird eine Gewichtszunahme unter Kreatin beobachtet, kann das durch vermehrte Wassereinlagerungen beobachtet werden, in dem Fall sollte es wieder abgesetzt werden. Die Substanz ist mit reichlich Flüssigkeit (mindestens 2 Liter täglich), nicht jedoch Kaffee einzunehmen. Für 10 Tage erfolgt bei Erwachsenen eine "Ladephase" mit 8 g Kreatinmonohydrat/Tag, verteilt auf 2 Tagesportionen, dann 4 g/Tag. Wegen der möglichen Verminderung des Transporters für Kreatin in der Muskelzelle wird alle drei Monate eine 2- bis 4wöchige Therapiepause empfohlen. Danach kann wiederum mit einer Ladephase begonnen werden. Höhere Dosen sind nicht zu empfehlen, da dann durch Kristallisieren des Kreatins im Blut Nierenschäden auftreten können.Symptomatische Behandlung
Solange eine ursächliche oder medikamentöse Therapie den Verlauf der Erkrankung nicht beeinflussen kann, ist die symptomatische Behandlung besonders bedeutsam. Ziele der Therapie und insbesondere der Rehabilitation sind die Verbesserung und das Erhalten der Selbständigkeit in der Beweglichkeit und Selbstversorgung sowie der Teilhabe am sozialen Leben. Die Behandlung ist am effektivsten bei einem erfahrenen interdisziplinär arbeitenden Team aus Ärzten, Pflege, Krankengymnasten, Ergotherapeuten, Logopäden, Psychologen und Sozialarbeitern.Therapie der muskulären Schwächen
Behandlungen von Kontrakturen und Skoliose
Unterstützung der Krankheitsverarbeitung
Hilfsmittel
- Duschstuhl
- Badewannen-Lifter
- Toilettensitzerhöhungen
- Rollstuhl
- Rampen für den Rollstuhl
- Krankenbett
- Kleine Hilfen wie Greifzangen
Führen von Kraftfahrzeugen
Bei krankheitsbedingten Einschränkungen kann das Führen von Kraftfahrzeugen erschwert oder nicht möglich sein. Um das zu klären, sollte der behandelnde Arzt angesprochen werden. Bei fahreignungsrelevanten Störungen sind eine verkehrsärztliche Begutachtung und eine Begutachtungsfahrt mit einem technischen Sachverständigen (z.B. TÜV oder DEKRA) notwendig. In dem Rahmen wird festgelegt, ob das Führen eines KFZ ohne oder mit Auflagen und Beschränkungen möglich ist. Nach der Kraftfahrzeughilfeverordnung ist für Betroffene, die im Berufsleben stehen, eine Finanzierung sowohl der Gutachten wie auch von Zusatzausrüstungen des Kraftfahrzeugs möglich durch den Rentenversicherungsträger, Agentur für Arbeit oder Integrationsamt.Sozialmedizinische Aspekte
Stationäre Behandlungsmaßnahmen (Rehabilitation)
Unsere Erfahrung mit neuromuskulären Erkrankungen
Das Behandlungsprogramm
Das Behandlungsprogramm für Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen wird in unserer Klinik nach der Aufnahmeuntersuchung individuell zusammengestellt. Es umfasst je nach vorliegender Symptomatik- Krankengymnastik in Einzeltherapie
- Logopädie in Einzeltherapie bei Schluck- oder Sprechstörungen oder ausgeprägterer Schwäche der Gesichtsmuskulatur
- Ergotherapie in Einzeltherapie
- Ergänzend Krankengymnastik (und Wassergymnastik), Ergotherapie und Logopädie in Gruppentherapien, zum Teil speziell eingerichtet für Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen
- Physikalische Therapie zur Schmerzlinderung (Infrarot-Kabine, Massagen, Elektrotherapie, Balneotherapie)
- Bei Bedarf psychologische Einzelgespräche zur Krankheitsverarbeitung
- Sozialmedizinische Beratung
- Psychologisch geleiteter Gesprächskreis speziell für Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen
- Vierzehntägig ärztliche Vorträge über neuromuskuläre Erkrankungen
Dokumentation
Das Behandlungsergebnis wird durch die ärztliche Aufnahme- und Entlassungsuntersuchung dokumentiert. Wichtige Basis zur Beurteilung sind auch die standardisierten physiotherapeutischen und ergotherapeutischen Untersuchungen bei Aufnahme und Entlassung, die die funktionelle Leistungsfähigkeit auf speziellen Evaluationsbögen erfassen.Psychologische Betreuung
Neben der natürlich im Mittelpunkt stehenden körperbezogenen Behandlungen hat sich immer deutlicher gezeigt, dass die psychologische Betreuung der Patienten ebenfalls häufig eine herausragende Rolle spielt. Die Rehabilitanden erhalten bei Bedarf psychologische Einzelgespräche und werden in der Regel in die psychologisch geleitete Gesprächsgruppe für Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen integriert.Seminare
Alle vierzehn Tage finden auch durch den Chefarzt Seminare mit informativem Charakter für diese Erkrankungen statt. Zentrale Inhalte sind dabei die Übersicht der Begrifflichkeiten, Therapie und Genetik. Auch über Aspekte, wie Ernährung, Sport oder auch Führen eines KFZ mit einer neuromuskulären Erkrankung wird in diesem Rahmen berichtet.Selbsthilfegesellschaften
Wichtige Arbeit leisten gerade bei chronisch progredienten Erkrankungen Selbsthilfegesellschaften. Während der Rehabilitation werden die Patienten auch darüber informiert. Generell wird ein enger Kontakt zu den Selbsthilfegesellschaften gepflegt. Für Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen ist die Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke in Freiburg aktiv.Weitere Infos zum Download
Informationen zu Krankheiten
G
- Ganzkörper-Hyperthermie
- Gliederguertel-Muskeldystrophie Typ Duchenne
- Gliederguertel-Muskeldystrophie LGMD 1B
- Gliederguertel-Muskeldystrophie LGMD 1C
- Gliederguertel-Muskeldystrophie F S H D
- Gliederguertel-Muskeldystrophie LGMD 1F
- Gliederguertel-Muskeldystrophie LGMD 2A
- Gliederguertel-Muskeldystrophie LGMD 2B
- Gliederguertel-Muskeldystrophie LGMD 2D
- Gliederguertel-Muskeldystrophie LGMD 2I
- Glykogenose Typ 5 - Morbus McArdle
- Guillain-Barré-Syndrom Rehabilitation
- Guillain-Barré-Syndrom Übersicht