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KLINIK HOHER MEIßNER

Rehabilitation Multiple Sklerose (MS)

„Rehabilitation ist immer noch der einzige Weg, um Funktionen bei Multipler Sklerose zu verbessern.“
(Kraft, Lancet, 1999) Dieses Zitat von Prof. George H. Kraft, Washington University, Abteilung für Rehabilitationsmedizin, in der renommierten medizinischen Zeitschrift Lancet, macht die Bedeutung der Rehabilitation bei Multipler Sklerose deutlich. Die medikamentöse Therapie ist wichtig, um die Häufigkeit und Schwere von Schüben zu mindern oder bestimmte Symptome zu bessern. Zur Verbesserung von Funktionen aber, die wir für unsere Alltagsbewältigung benötigen, ist Rehabilitation immer noch die wichtigste Basis. Die Folgen der Multiplen Sklerose können von verschiedenen medizinischen Komplikationen über motorisch-koordinative, kognitive (geistige Fähigkeiten betreffend, z.B. Gedächtnis und Konzentration) bis hin zu emotionalen, sexuellen und sozialen Einschränkungen reichen. Die Rehabilitation soll eine größtmögliche Selbständigkeit und Reintegration in Familie und Beruf ermöglichen. Voraussetzung einer guten rehabilitativen Versorgung auch bei Multipler Sklerose ist eine ausreichende Diagnostik. In der Regel ist sie bei Antritt der Rehabilitation bereits erfolgt. Soweit diese aber nicht durchgeführt wurde oder erst im Verlauf notwendig wird, wird sie in unserer Klinik durchgeführt oder veranlasst. Berufsgruppenbezogene Diagnostik in der Rehabilitation zur Planung individueller Therapiemaßnahmen,
Krankengymnastische und Ergotherapeutische Untersuchungen, z. B.

Motorik (Lähmungen, Spastik, Feinmotorik)

  • Sensibilität (Gefühl)
  • Koordination
  • Kontrakturen
  • Apraxie (Störungen der Bewegungsplanung und Abfolge)

Neuropsychologische Diagnostik, z.B. zu

  • Wachheit (Vigilanz)
  • Gedächtnis
  • Konzentration, Aufmerksamkeit
  • Visuell-räumliche Wahrnehmung
  • Räumlich-konstruktive Leistungen
  • Vernachlässigungsphänomene
  • Krankheitswahrnehmung

Allgemeine psychologische Diagnostik, z. B.

  • Krankheitsverarbeitung
  • Verhaltensstörungen
  • affektive Störungen

Logopädische Diagnostik, z. B.

  • Sprechstörungen (Dysarthrophonie, Dysarthrie)
  • Schluckstörungen
Auf diesen Links erhalten Sie weiterführende allgemeine Informationen zur Erkrankung, zur Diagnostik und zur medikamentösen Therapie.

Therapieziele

Die Therapie in der Rehabilitation richtet sich nach der vorliegenden Symptomatik und den sich daraus ergebenden Störungen der Fähigkeiten. Diese werden im Bezug auf die Bewältigung des Alltags sowie den sich wiederum daraus ergebenden sozialen Folgen beurteilt. Die Therapieziele sind für jeden einzelnen Patienten individuell zu ermitteln. Hierzu können beispielsweise gehören
  • Selbständigkeit bei den Aktivitäten des täglichen Lebens
  • Wiederherstellung oder Besserung grundlegender Funktionen, wie z.B. sensomotorische und koordinative Funktionen, Kommunikation, Aufmerksamkeits- und Gedächtnisleistungen
  • Klärung des Rehabilitationspotentials und der Langzeitprognose
  • Planung und Einleitung der weiteren Versorgung
  • Planung und Einleitung der beruflichen Reintegration

Rehabilitationspflege

Die Verbesserung der motorischen Funktionsstörungen ist zwar Domäne der Krankengymnastik und der Ergotherapie, sie beginnt aber bei schwerer betroffenen Patienten bereits bei der Pflege. Hier ist die aktivierende Rehabilitationspflege zu nennen. Sie muss Sekundärschäden verhindern und bei Alltagsaufgaben in Absprache mit dem Therapeutenteam Funktionen wie Kontinenz, Kreislauftraining bisher bettlägeriger Patienten und so weiter, trainieren.

Physiotherapie

In den letzten Jahren konnte die Wirksamkeit des sogenannten "repetitiven Trainings", der wiederholten gleichförmigen Durchführung von Bewegungen belegt werden. Elemente des repetitiven Trainings spielen deshalb in der Behandlung eine große Rolle. In unserer Klinik wird zudem berufsgruppenübergreifend die Behandlung nach dem Bobath-Konzept durchgeführt. Während die Bobath-Methode früher vorwiegend für zerebralparetische Kinder unter Ausnutzung des Einflusses passiver Kopfbewegungen auf Haltungs- und Stellreflexe von Rumpf und Extremitäten eingesetzt wurde, hat sie sich heute insgesamt bei zentral-motorisch gestörten Patienten durchgesetzt. Dabei spielen die genannten Reflexe aber keine übergeordnete Rolle mehr, es wird heute mehr unter einer anhaltenden langsamen Dehnung spastisch überaktiver Muskelgruppen behandelt. Unter der sich damit einstellenden Spastikminderung werden gezielte Bewegungen trainiert. Selbstverständlich kommen aber auch andere Therapiekonzepte zum Einsatz. Herausgehoben seien Elemente der propriozeptiven neuromuskulären Fazilitation (PNF) zur Bewegungsanbahnung und des Vojta-Konzepts. Liegen bereits Kontrakturen oder Verkürzungen der Muskulatur vor, sind diese vorsichtig aufzudehnen. Grundsätzlich gilt, dass nicht ein Therapiekonzept allein für einen Patienten den optimalen Effekt bringt, sondern, dass der Therapeut aus den verschiedenen Konzepten die für den Patienten besten Übungen zusammenstellt. Für die Therapie von Lähmungen bei Multipler Sklerose kann in Einzelfällen auch Elektrotherapie gewinnbringend eingesetzt werden. In mehreren Untersuchungen als effektiv hat sich die EMG-getriggerte Elektrostimulation herausgestellt. Dabei werden mit einer auf die Haut aufgeklebte Oberflächenelektrode die Ströme der zu trainierenden Muskelgruppe gemessen, beispielsweise von der Streckergruppe des Unterarms. Sobald bei der willkürlichen Anspannung der Pegel eine individuell einzustellende Schwelle überschreitet, wird der Muskel zusätzlich elektrisch stimuliert. Die willkürlich nur teilweise durchführbare Bewegung wird also - unterstützt durch die Elektrotherapie - in vollem Ausmaß durchgeführt. An der Hirnrinde wird zeitlich gekoppelt mit der Beabsichtigung und Planung die tatsächlich durchgeführte Bewegung wahrgenommen, was ein schnelleres Erlernen der Bewegung erlaubt. Diese Behandlung ist jedoch nur sinnvoll bei Patienten, die sehr ausgeprägte Lähmungen aufweisen, andererseits aber Restfunktionen haben. Sehr komplex kann bei entsprechend gestörten Patienten mit Multipler Sklerose die Therapie des Stehens und Gehens sein. Um das Rehabilitationsziel zu erreichen, fordern moderne Konzepte ein aufgabenspezifisches repetitives Training. Konkret heißt das, wer das Gehen wieder erlernen soll, muss das Gehen selbst üben. Möglichst viele Schritte sollen in der Therapieeinheit durchgeführt werden. Um diesem Konzept gerecht zu werden, wird von uns der von der Arbeitsgruppe von Hesse und Mitarbeitern, Berlin, entwickelte Gangtrainer eingesetzt. Dabei steht der in einem Gurt gesicherte Patient auf zwei Fußplatten, deren Bewegung das natürliche Gehen simuliert. Ein Motor unterstützt die Bewegung des Patienten je nach dessen Mithilfe. Die für das Gehen wesentlichen Rumpfbewegungen in vertikaler und lateraler Richtung werden phasengerecht mit gesteuert. Auch ein Patient, der noch auf den Rollstuhl angewiesen ist, kann das Gerät nutzen. Der Einstieg aus dem Rollstuhl heraus erfolgt nach Gurtsicherung mit Hilfe eines Schwenkarmes. Behindert eine spastische Tonuserhöhung bestimmte Funktionen, kann ergänzend der gezielte Einsatz von Botulinum-Toxin erwogen werden. Beispielsweise kann bei entsprechender Störung die Injektion des Toxins in den Wadenmuskel zu einer nachhaltigen Verbesserung des Gangbildes mit physiologischerem Abrollen führen.

Physikalische Therapie

Die physikalische Therapie ist ergänzend zur Verminderung der erhöhten Anspannung von Muskeln (Spastik) einzusetzen, so durch Vierzellen- oder Stangerbäder, Vibrationsmassagen oder das motorgetriebene Standfahrrad (z.B. Motomed®). Insbesondere bei Bädern oder Packungen ist bei Patienten mit Multipler Sklerose das Uhthoff-Phänomen zu berücksichtigen. Hierbei handelt es sich um eine Zunahme der Symptomatik bei Wärme bei einem großen Teil der Patienten mit Multipler Sklerose. Deshalb können Wärmeanwendungen in der Regel nur lokal zum Einsatz kommen. Kennt der Patient sich selbst aber als sehr stabil in Hinsicht auf Wärme, ist ein Therapieversuch mit intensiverer Wärme möglich. Die Verschlechterungen treten nur vorübergehend auf.

Ergotherapie

In enger Abstimmung mit der Physiotherapie erfolgt die Ergotherapie. Sie beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den sensomotorischen Störungen der Arme. Anbahnung von Bewegungen, Training der Feinmotorik, der Koordination und der Sensibilität sowie gegebenenfalls ein Umtrainieren auf die nicht-dominante Hand stellen Facetten dieses Bereichs dar. Neben dem Bobath-Konzept und den übrigen bereits aufgeführten Therapie-Konzepten erfolgen hier auch Behandlungen nach der Perfetti-Methode, bei der die Aufnahme sensibler Informationen eine zentrale Rolle spielt. Konkret wird beispielsweise die Hand über verschiedene Oberflächen oder Objekte geführt, oder es werden geführte Bewegungen in einzelnen Gelenken durchgeführt. Ziel ist es, die sensible Wahrnehmung zu verbessern und durch eine Aufmerksamkeitsförderung auf die betroffene Extremität neue Bewegungsstrategien zu fördern. Beim sogenannten Selbsthilfetraining werden grundlegende Alltagsfertigkeiten, die Aktivitäten des täglichen Lebens ("ADL") trainiert. Hierzu gehören z. B. Körperpflege, An- und Ausziehen der Kleidung und Nahrungsaufnahme sowie Transfervorgänge. Über diese basalen Funktionen hinaus können aber auch differenziertere Fähigkeiten wie Kochen und andere Haushaltstätigkeiten oder das Schreiben mit der Hand oder Maschine trainiert werden. Die Austestung und Beschaffung von Hilfsmitteln zur Alltagsbewältigung wird schwerpunktmäßig im Rahmen der Ergotherapie durchgeführt, so die Anpassung eines Rollstuhls und der Einsatz von Drehscheiben zur Erleichterung des Transfers, z.B. vom Bett in den Rollstuhl. Zusatzgriffe im Badezimmer, Aufstehhilfen aus der Badewanne, Anziehhilfen, Hilfen im Haushalt wie Griffverdickungen, spezielle Schneidebretter etc. können dem Patienten zu deutlich mehr Sicherheit und Selbständigkeit verhelfen.

Logopädie

Störungen des Sprechens (=Dysarthrie) und des Schluckens (=Dysphagie) stellen das zentrale Arbeitsgebiet der Logopädie bei Multipler Sklerose dar. Auch bei diesen Störungen ist eine differenzierte Befunderhebung notwendig, um die relevanten Therapieschritte durchführen zu können. Zur Unterstützung des therapeutischen Verlaufs und insbesondere zur Gewährleistung eines möglichst umfassenden Transfers in den Alltag ist die intensive Beratung und ggf. auch Einbeziehung der Angehörigen erforderlich. Bei der funktionellen Schlucktherapie wird entweder eine Rückbildung oder die Kompensation gestörter Funktionen angestrebt. Die Restitution wird durch den Einsatz stimulierender und hemmender Verfahren mit Dehnungen, leichter manueller Berührung, Druck, Tapping, Pinseln und anderen Reizen erreicht. Die kompensatorischen Verfahren beziehen diätetische Maßnahmen, kontrollierte Platzierung der Nahrung im Mund, Änderung der Kopf- und Körperposition und besondere Schlucktechniken ein.

Neuropsychologie

Grundlage der Therapie sogenannter kognitiver Störungen ist ebenfalls zunächst eine exakte Analyse der Symptomatik. Vigilanz (Wachheit), Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Planen und Problemlösen werden hier überprüft. Auch erfolgt in diesem Rahmen die Diagnostik visuell-räumlicher Wahrnehmungsstörungen, räumlich-konstruktiver Störungen, Störungen der Gesichts- und Objektwahrnehmung. Ebenso müssen beispielsweise Impulsivität und psychische Belastbarkeit ermittelt werden. Eine Restitution spezifischer Störungen wird durch wiederholte strukturierte Übungsaufgaben angestrebt. Die Behandlung kann entweder mit Papier und Bleistift oder aber am Computer erfolgen. Dabei werden Komplexität, Quantität, Geschwindigkeit etc. schrittweise erhöht. Grundlage der Kompensation ist der Einsatz nicht gestörter Strategien, Erfahrungen und Verhaltensweisen. Bei Gedächtnisstörungen kommt der Einsatz von Mnemotechniken in Frage oder die Substitution gestörter Funktionen durch externe Hilfsmittel, wie z. B. Notizbücher. Die neuropsychologische Therapie darf den Alltagsbezug nicht aus dem Auge verlieren, die gestörten Funktionen sind entsprechend auch in Alltagssituationen zu trainieren. Dies erfolgt in enger Koordination mit der Ergotherapie, insbesondere wenn es sich um Neglect, Apraxie und räumlich-konstruktive Beeinträchtigungen handelt. Da gerade die neuropsychologischen Störungen negative Auswirkungen auf sämtliche therapeutischen Bemühungen haben können, ist ein enger Kontakt zwischen den verschiedenen Therapeuten dringend notwendig. Nur dadurch ist zu gewährleisten, dass die Erkenntnisse der neuropsychologischen Diagnostik von allen Behandlern berücksichtigt werden, um den Patienten nicht zu überfordern, ihn aber die verschiedenen therapeutischen Disziplinen übergreifend optimal fördern zu können.

Psychologische Betreuung - Krankheitsverarbeitung

Da Patienten mit Multipler Sklerose sind durch das Damokles-Schwert, wann der nächste Schübe auftreten wird und welche Symptome er zur Folge haben wird, häufig sehr verunsichert. Dadurch ist ein konstruktiver Umgang mit der Erkrankung oft schwer. Die Multiple Sklerose wird in der Laienwelt meist mit Rollstuhl-Abhängigkeit und schwerer Behinderung gleichgesetzt. Die sehr unterschiedliche Schwere der Verläufe, das Vorkommen auch leichter Verläufe, ist nicht bekannt. Liegen schwere Beeinträchtigungen vor, so muss der Betroffenen lernen, damit umzugehen, mit allen Konsequenzen die die Behinderung im Alltag und im sozialen Leben mit sich bringt. Aus diesem Grunde erfolgen in unserer Klinik ärztlich und psychologisch betreute Gesprächskreise. Zur Unterstützung der Auseinandersetzung mit der Störung benötigt der Patient einerseits ärztliche Informationen über Verlauf, Ursachen, Therapie und Hintergründe der Multiplen Sklerose. Die Auseinandersetzung mit der Erkrankung wird unterstützt durch den Psychologen, auch der Austausch mit anderen Betroffenen im Gesprächskreis hilft weiter.

Sozialmedizinische Gesichtspunkte

Die Rehabilitation bei Multipler Sklerose muss die sozialmedizinischen Faktoren berücksichtigen. Diese können von der Organisation der weiteren Versorgung nach der Entlassung über die Beratung hinsichtlich Pflege- und Schwerbehindertenrecht bis zu Klärung der beruflichen Wiedereingliederung reichen.

Das therapeutische Team

Im interdisziplinären Team aus Ärzten, Pflegefachkräften, Physio- und Ergotherapeuten sowie Logopäden, Neuropsychologen und Sozialarbeitern wird für jeden Patienten gemeinsam die Gestaltung der Rehabilitationsmaßnahme festgelegt. Die Therapieziele werden zusammen erarbeitet und mit dem Erkrankten abgestimmt. In wöchentlich stattfindenden Besprechungen werden im Verlauf die Therapieziele angepasst, die fachbezogenen Informationen über den Patienten ausgetauscht und sich daraus ergebende Konsequenzen festgelegt. In der Klinik Hoher Meißner werden Patienten mit Multipler Sklerose qualifiziert behandelt.

Kontakt

Sie haben Fragen zur Thematik?

Schreiben Sie uns.

Chefarzt der Neurologischen Abteilung
Dr. med. Carsten Schröter

E-Mail neurologie@reha-klinik.de