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Definition:
Als Dysphagie werden Schwierigkeiten beim Schlucken von Speichel, Flüssigkeiten und Nahrung oder Störungen des Schluckvorgangs bezeichnet.
Eine Dysphagie kann bei verschiedenen neurologischen Erkrankungen auftreten, z.B. nach Schlaganfall, Erkrankungen der Hirnnerven und bei bestimmten Muskelerkrankungen. Bei Patienten mit Schlaganfall kommt es häufig zur Dysphagie.
Der Schluckvorgang wird in drei Phasen unterteilt.
Die erste und die zweite Phase können willkürlich gesteuert werden, während die dritte Phase reflektorisch, das heißt unbewusst abläuft.
Die erste Phase wird als orale Phase bezeichnet. Sie besteht aus der oralen Vorbereitungsphase und der Transportphase. Während der oralen Vorbereitungsphase wird die Nahrung zerkleinert und zu einem schluckfähigen Bissen (Speisebolus) geformt. In der Transportphase wird der Bolus in den hinteren Teil des Mundes befördert und der Schluckreflex wird ausgelöst.
In der zweiten Phase, der pharyngealen Phase, hebt sich der Kehlkopf, damit der Speisebolus durch den sich gleichzeitig öffnenden oberen Sphinkter (Schließmuskel) in die Speiseröhre gelangt.
Die dritte Phase, die ösophageale Phase, beginnt mit dem Eintritt des Speisebolus in den oberen Speiseröhrenabschnitt und endet, nach Passieren des unteren Sphinkters, im Magen. Bei einer Dysphagie kann jede Phase einzeln oder - wie zum Beispiel bei einer Störung im Hirnstamm - kombiniert betroffen sein.
Bei neurologischen Erkrankungen manifestieren sich die meisten Störungen in der pharyngealen Phase. Die Schwierigkeiten können sich sowohl in einer herabgesetzten Sensibilität als auch in einem reduzierten Kraft- und Bewegungsausmaß der am Schluckvorgang beteiligten Muskeln äußern.
Bei unzureichender Kehlkopfhebung wird Speichel bzw. Nahrung nur unzureichend geschluckt. Bei Öffnungsschwierigkeiten des oberen Sphinkters (Schließmuskels) der Speiseröhre kann sich Speichel oder Nahrung aufstauen, d.h. es bleiben Retentionen in diesem Bereich zurück. Zu Komplikationen kommt es, wenn bei nicht ausreichendem Verschluss des Kehlkopfs Bestandteile der Nahrung in den Kehlkopfeingang (Penetration) oder in die Luftröhre (Aspiration) gelangen. Hier besteht die Gefahr einer Lungenentzündung (Aspirationspneumonie).
Störungen in der ösophagealen Phase treten bei ungenügender Verschlussfunktion des unteren Speiseröhrensphinkters (Schließmuskels) auf. Dadurch kann es zu einem Rückfluss des Mageninhalts in die Speiseröhre (Reflux) kommen.
Störungen der oralen Phase werden durch einen verminderten Schluss der Lippen ausgelöst; dies zeigt sich zum Beispiel durch unkontrollierten Speichelfluss aus dem Mund. Ursache hierfür kann auch eine zusätzlich zur Dysphagie vorliegende einseitige Gesichtslähmung (Facialisparese) sein. Die durch diesen Hirnnerv versorgten Muskeln im Gesicht arbeiteten dann nicht mehr vollständig oder nur noch ungenügend. Auch eine verminderte Zungenbeweglichkeit (z.B. als Folge einer Hypoglossusparese) kann zu Schwierigkeiten in dieser Phase führen. Hier wird die Formung des Speisebolus und dessen Transport behindert.
Wenn bei einer Dysphagie die orale Phase betroffen ist, liegt gleichzeitig eine Sprechstörung (Dysarthrie) vor. Diese wird in der Therapie mitbehandelt.
Diagnostik:
Wenn Schwierigkeiten beim Schlucken bestehen, wird zunächst eine ausführliche Diagnostik durchgeführt, die sowohl die motorische Seite ( Kraft- und Bewegungsausmaß der am Schluckvorgang beteiligten Muskeln) als auch die sensible Seite (das Wahrnehmen verschiedener Reize) berücksichtigt. Diese funktionelle Diagnostik wird ggf. durch eine apparative Diagnostik -in Form einer Videoendoskopie oder Videofluoroskopie - ergänzt.
Therapie:
An den vorliegenden Ergebnissen orientiert sich das weitere Vorgehen in der Therapie. Je nach Art der Symptome und dem Grad ihrer Ausprägung werden gezielte Übungen zur Wiederherstellung der beeinträchtigten Funktionen (Restitution) durchgeführt und /oder kompensatorische Maßnahmen erarbeitet.
Restituierende Maßnahmen können bei Schwierigkeiten in der oralen Phase gezielte oro-faciale Übungen zur Kräftigung der Lippen- und Zungenmuskulatur sein.
Kompensatorische Maßnahmen werden dagegen oft bei Störungen der pharyngealen und der ösophagealen Phase angewendet. Sie betreffen das Erlernen einer an die verbliebenen individuellen Fähigkeiten angepassten Schlucktechnik.
Neben dem gezielten therapeutischen Vorgehen ist eine Anpassung der Konsistenzen von Flüssigkeiten und Nahrungsmitteln an den jeweiligen Stand der Muskelfunktionen wichtig. Es ist darauf zu achten, welche Konsistenzen gut bzw. (noch) nicht geschluckt werden können, damit das Eindringen von Flüssigkeiten oder Nahrung in die Atemwege (Aspiration) verhindert werden kann.
Es kann sein, dass zu Beginn nur dickflüssige Speisen gut geschluckt werden können. Erst mit einer zunehmenden Verbesserung der zuvor beeinträchtigten Funktionen kann schließlich feste Nahrung geschluckt werden.
Grundvoraussetzung des erfolgreichen Durchführens schlucktherapeutischer Maßnahmen ist eine ausreichende Wachheit (Vigilanz) des Betroffenen. Ist diese bei schweren Erkrankungen nicht vorhanden, oder sind die funktionalen Fähigkeiten der Schluckmuskulatur noch zu stark herabgesetzt, kann zunächst die Anlage einer Ernährungssonde (nasogastral, d.h. durch die Nase in den Magen oder mittels perkutaner endoskopischer Gastrostomie, d.h. durch die Bauchdecke in den Magen) nötig sein. Damit kann eine Aspirationsgefahr ausgeschlossen und eine ausgewogene Ernährung gesichert werden.
Hauptziele der Therapie sind immer die Vermeidung einer Aspiration und die Wiederherstellung einer möglichst normalen (d.h. oralen) Nahrungsaufnahme.
Es erfolgt eine fortlaufende Dokumentation der durchgeführten Therapieschritte und eine schnelle Anpassung der weiteren therapeutischen Maßnahmen an die erzielten Fortschritte. Es gibt inzwischen Qualitätskriterien und Standards für die Diagnostik und Therapie von Patienten mit neurologischer Dysphagie (Leitlinien 2003 der DGNKN).
Die enge Zusammenarbeit mit den behandelnden Ärzten, dem Pflegepersonal und den Diätassistentinnen ermöglicht den Transfer der in der Therapie erzielten Verbesserungen in den Alltag. So kann der Betroffene die eingeübte Schlucktechnik nach Absprache und unter therapeutischer Aufsicht beim Einnehmen einer Mahlzeit konkret üben.
Schwierigkeiten beim Schlucken vermindern die Lust am Essen und können die gemeinsame Einnahme einer Mahlzeit beeinträchtigen. Daher ist die Aufklärung der Angehörigen über Art und Ausmaß der Dysphagie und über die Therapieinhalte wichtig. Therapeutische Empfehlungen für das weitere Vorgehen können dann gemeinsam umgesetzt werden. Jede Verbesserung einer Dysphagie fördert die Gemeinschaft beim Essen und steigert die allgemeine Lebensqualität.