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Post-Polio-Syndrom: Definition

Das Post-Polio-Syndrom (PPS) ist definiert als eine zunehmende Schwäche nach einer Poliomyelitis-Erstinfektion. Die Poliomyelitis-Erstinfektion erfolgte meist als Kind, die Erkrankung wurde in ihrer Häufigkeit abrupt gestoppt nach Einführung der Polioschluckimpfung Ende der 50-iger Jahre. Das Post-Polio-Syndrom tritt oft nach einer stabilen Phase von 10 bis 30 Jahren auf, der Verlauf ist langsam fortschreitend. Es werden sowohl früher befallene als auch völlig neue Muskelgruppen betroffen. In der Literatur findet sich das Post–Polio-Syndrom häufiger bei Patienten mit schwerer Infektion mit Beatmung und Lähmung aller Arme und Beine. Jedoch kann es durchaus auch nach leichteren Erstinfektionen auftreten. Wichtig ist die exakte diagnostische Einschätzung dieser Symptomatik, die jedoch überwiegend eine klinische Diagnose ist. Unterscheiden muss man hier neben anderen differentialdiagnostischen Ursachen der klinisch-neurologischen Symptome auch zwischen dem Post-Polio-Syndrom und Folgezuständen einer Polioprimärinfektion. Eine genaue klinische Untersuchung mit exakter Diagnostik, ausgiebiger Erhebung der Krankengeschichte und evtl. zusätzlicher neuro-physiologischen Untersuchungen, insbesondere Messung der Muskelkraft (Elektromyographie) ist dazu notwendig. Die entsprechenden Fachgesellschaften fordern folgende notwendigen Kriterien zur Diagnose für ein Post-Polio-Syndrom :
  • Nachgewiesene Primärinfektion Poliomyelitis
  • Stabile Periode nach der Erkrankung von mindestens 10 Jahren
  • Danach Beginn von mindestens zwei der folgenden Störungen:
  • Muskel- und/oder Gelenkschmerzen, neue Schwäche in einzelnen Muskeln, Kälteintoleranz, Atrophie.
Wie bereits oben gesagt, können sowohl nichtbetroffene als auch bereits vorher betroffene Muskeln symptomatisch werden. Dabei geht oft eine jahrzehntelange Beschwerdefreiheit voraus. Sowie ein eher schleichender Verlauf und eine erfolglose medizinische Behandlung sollten dem behandelnden Arzt eines Polio-Patienten hier aufmerksam werden lassen. Bei vielen der Post-Polio-Patienten finden sich neben diesen genannten Symptomen auch zwei unspezifische Syndrome. Zum einen berichten viele der Betroffenen über eine zunehmende Schwäche und Erschöpfbarkeit und zum anderen auch eine chronische Schmerzsymptomatik, die oft diffus ist und sich in den Muskeln und Gelenken findet. Hierbei durchlaufen manche Patienten wahre „Odysseen“ von Arzt zu Arzt und erfolglosen therapeutischen Versuchen. Die neurologische Abteilung der Wicker-Klinik, Bad Wildungen hat sich in den letzten Jahren der Behandlung dieser Betroffenen angenommen, auch durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit der Werner-Wicker-Klinik, Bad Wildungen-Reinhardshausen. Dabei erfolgt die Rehabilitation der Post-Polio - Betroffenen interdisziplinär und in Absprache mit dem therapeutischen Team unter ärztlicher Leitung, psychologische Unterstützung und Sozialberatung. Grundsätzliches Ziel der Therapien beim Post-Polio-Syndrom in der Rehabilitation sind:
  • Vermeidung von Überbelastung
  • Häufige Pausen
  • Vermeiden von Übungen an Muskeln, die im Alter ohnehin stark belastet sind
  • Übungen von Funktionsbewegungen
  • „Ökonomisieren“ von Bewegungen
In der Physiotherapie wird in Absprache mit dem behandelnden Arzt ein individuelles Therapieprogramm erarbeitet, welches sowohl als Gruppen- als auch als Einzeltherapie besteht. Da die Symptomatik der Post-Polio - Patienten sehr unterschiedlich ist, steht zunächst eine ausführliche Eingangsdiagnostik im Vordergrund, hierbei wird der Muskel und Gelenkstatus im Bezug auf Kraft, Kraftausdauer, Beweglichkeit, Fehlhaltungen, wie Rumpfasymmetrien, Gangbild, Selbständigkeit bei Bewegungsübergängen, vitale Belastbarkeit, wie z.B. Einschränkung der Atmung, Vorhandensein und evtl. Notwendigkeit von Hilfsmitteln überprüft. Es werden in Absprache mit dem Patienten besondere Schwerpunkte festgelegt und ein gemeinsames Behandlungsziel formuliert. Verschiedene Techniken zur Behandlung beim Post-Polio-Syndrom in der stationären Rehabilitation kommen in der Einzeltherapie zum Einsatz. Hierzu zählen PNF, Bobath, E-Technik und craniosacrale Therapie. Dieses Therapieangebot wird ergänzt durch manuelle Therapie, Schlingentischbehandlung und andere entspannende und schmerzlindernde Methoden, wie z.B. Akupressur.

Post-Polio-Syndrom: Therapie in der Rehabilitation

Dabei ist das Ziel in der Rehabilitation der Erhalt der größtmöglichen Selbständigkeit, Verbesserung von Muskelfunktion und Koordination, Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit, Erleichterung von Bewegungsübergängen und des Gehens, Erarbeiten einer ausreichenden Rumpfstabilität und möglicher Körpersymmetrie und Schmerzlinderung. Die kompetente Behandlung beim Post-Polio-Syndrom in der Rehabilitation schließt das richtige Maß an Belastung und Dosierung der Übungseinheiten und dem Vermeiden von Überforderung ein. Ein weiteres wichtiges Therapieziel in enger Absprache mit dem Patienten in der Physiotherapie ist die Verbesserung der Körpereigenwahrnehmung und das Erarbeiten eines individuellen Eigenübungsprogramms für zu Hause. Ferner berät die Physiotherapie die vom Post-Polio-Syndrom betroffenen Patienten in der Rehabilitation über sämtliche Hilfsmittel, die das Gehen betreffen, dies bedeutet z.B. Beinprothese, Schiene, Bandage oder Rollator. Diese Versorgungen sollten bereits am Anfang der Therapie erörtert werden, um danach genügend Zeit für Ausfall und Anpassung durch den abteilungsbetreuenden Orthopädietechniker zu haben und die Benutzung oder Anwendung der entsprechenden Hilfsmittel in die Therapie zu integrieren. Die Physiotherapie bietet in ihrer Gruppentherapie folgendes an: Entspannungstraining, Gleichgewichts- und Koordinationstraining, Rückenschulung in Grundaufbau und Trainingskursen, Herz-Kreislauftraining im nahegelegenden Kurpark. Sowohl für die Gruppen als auch für die Einzeltherapie steht ein entsprechendes Bewegungsbad zur Verfügung. Besonders die Therapie bei Post-Polio-Syndrom im Wasser mit seinen besonderen Vorteilen für die Entspannung der Muskulatur ist sehr günstig. Ergänzende Maßnahmen wie Stehtraining am Stehtisch, Nutzen des Beinbewegungstrainers, Fahrradergometertraining und eigenständiges Üben an Zugapparaten sind weitere sinnvolle Ergänzungen der stationären Rehabilitation. Die Selbständigkeit im persönlichen, sozialen und beruflichen Bereich und die sensomotorischen, seelisch-geistigen und sozialen Funktionsfähigkeiten stehen im Mittelpunkt der Behandlung in der Ergotherapie. Hierbei können folgende Trainingseinheiten von der Klinik im Rahmen der Rehabilitation angeboten werden:
  • Selbsthilfe, wie z.B. Essen und Trinken, An- und Ausziehen, Waschen und Duschen, Toilettengang
  • Sensomotorik, insbesondere der oberen Extremitäten sowie von Zehen- und Sprunggelenken.
Ferner gehören zu diesem Behandlungsangebot auch neuropsychologische Übungen der Aufmerksamkeit, Merkfähigkeit und anderes mehr, Intensivierung der Entspannungsfähigkeit mittels Anlernen der Kopfschwartenlockerung oder andere Entspannungsverfahren wie Autogenes Training in Zusammenarbeit mit der Psychologischen Abteilung. Haushaltstätigkeit wie z.B. Kochen, Waschen, Bügeln können ebenfalls in den entsprechenden Einrichtungen der Ergotherapie trainiert werden. Die vom Post-Polio-Syndrom - Betroffenen können mit verschiedenen Hilfsmitteln versorgt werden. Genannt seien hier als Beispiele Handschienen oder Rehabilitationshilfen in den Bereichen Selbsthilfe, Schreiben, Haushalt, Mobilität und Beruf. Die Abteilung berät Betroffene und deren Angehörige bei der Wohnungsplanung, evtl. Umstrukturierung der vorhandenen häuslichen Gegebenheiten und auch bei Pkw-Umrüstung und beabsichtigten Führerscheinerwerb. Die Physikalische Therapie behandelt die vom Post-Polio-Syndrom - Patienten ebenfalls in der Rehabilitation. Auch hier ist es wichtig, den Patienten gezielt zu therapieren ohne ihn zu überfordern und überzubeanspruchen. Als vorteilhaft erwiesen sich hier verschiedene Entspannungsbäder, Unterwasser- und externe Massagen sowie manuelle Lymphdrainagen. Die oft ausgeprägten Schmerzsymptome beim Post-Polio-Syndrom werden in dieser Abteilung kompetent mit entsprechenden Verfahren behandelt wie z.B. Elektrotherapie mit Ultraschall, mit oder ohne Reizstrom, Hochvolttherapie oder TENS-Stromtherapie. In der Rehabilitation klärt die Sozialberatung mit den Post-Polio-Syndrom - Betroffenen Fragestellungen aus dem Bereich des SGB III, V, VI, IX, XI oder BSHG. Falls notwendig werden Kontakte zu Arbeitgebern, Integrationsfachdiensten, Krankenkassen, Pflegekassen, Versicherungsträgern, Sozialstation, Angehörigen oder Selbsthilfegruppen hergestellt. Die sozialmedizinische Beurteilung der Post-Polio-Syndrom - Patienten wird im Entlassungsbericht der Klinik nach Rücksprache mit dem Patienten und den therapeutischen Abteilungen vom behandelnden Arzt festgehalten. Oft haben die Patienten mit einem Post-Polio-Syndrom auch durch die neuauftretenden Symptome nach oft jahrzehntelanger Beschwerdekonstanz erhebliche psychische Probleme. Hier bietet die psychologische Abteilung der Klinik therapeutische Einzelgespräche an. Je nach persönlicher Situation des Patienten wird dabei stabilisierend oder konfliktzentrierend gearbeitet. Über spezielle Diäten können sich die Patienten mit einem Post-Polio-Syndrom während der Rehabilitation in der Ernährungsberatung informieren und sich sowohl in Vorträgen als auch in Einzelgesprächen mit der entsprechenden Beraterin über gezielte Fragestellungen wie z.B. fettarme Kost oder Kalorienreduktion informieren. Eine regelmäßige und kontinuierliche ärztliche Betreuung ist selbstverständlich, hierzu zählt auch eine gründliche ärztliche Eingangsuntersuchung und ein Abschlussbefund. Die Ärzte der Neurologischen Abteilung der Wicker-Klinik, Bad Wildungen kennen sich mit dem Krankheitsbild aus und sind über aktuelle Behandlungsmöglichkeiten informiert, hierzu nehmen sie auch an regelmäßigen internen und externen Fortbildungen teil. Für die Patienten mit einem Post-Polio-Syndrom wird bei Bedarf ein wöchentlicher Gesprächskreis angeboten, der wechselweise von einem Facharzt für Neurologie geleitet wird. In diesem Gesprächskreis können die spezifischen Probleme der Betroffenen zur Sprache kommen. Wichtig ist der offene und gegenseitige Austausch, Frontalvorträge mit vorgegebenen Themen sollten vermieden werden. Verfasser: Chefarzt Dr. Kirn