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Chefärztin Dr. Christa Kleinschmidt: „Wertschätzung bei Therapie wichtig“

Mit Frau Dr. Christa Kleinschmidt haben wir eine erfahrene Chefärztin für die Abteilung für Psychosomatische Rehabilitation und Psychotherapie der Klinik am Homberg in Bad Wildungen gewonnen.

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Bad Wildungen, 10.12.2021

Dr. Christa Kleinschmidt ist Chefärztin der Abteilung für Psychosomatische Rehabilitation und Psychotherapie der Klinik am Homberg (Wicker) in Bad Wildungen.

Die Stärkung der interdisziplinären Teamarbeit für ganzheitliche Therapiekonzepte liegt ihr besonders am Herzen.


Sie sind jetzt etwa acht Wochen an der neuen Stelle, wie war der Start?

Bereits in den ersten Wochen habe ich erfahren, dass ich auf ein engagiertes therapeutisches Team und sehr gute Konzepte zurückgreifen kann, die ich gemeinsam mit den anderen Experten weiterentwickeln möchte. Die Arbeit im interdisziplinären Team werde ich in der Klinik weiter pflegen und ausbauen.


Mit welchen Beschwerden kommen Patienten zu Ihnen? Und auf welche bestehenden Behandlungskonzepte wollen Sie aufbauen?

Etwa die Hälfte der Rehabilitanden kommt – wie in allen psychosomatischen Rehabilitationskliniken – mit Depressionen. Die Klinik am Homberg hält neben der allgemeinen psychosomatischen Behandlung aber auch drei Spezialkonzepte vor. Besonders reizt mich das Therapiekonzept für adipöse Rehabilitanden, Menschen mit einem Gewicht bis zu 190 Kilogramm. Zur Behandlung der schwer übergewichtigen Rehabilitanden ist die Klinik am Homberg mit speziellen Geräten und Mobiliar ausgestattet. In der Regel haben diese Rehabilitanden sowohl psychische als auch internistische Probleme. Meine beiden Facharztqualifikationen sind nützlich, um hier ein ganzheitliches Therapiekonzept weiter zu entwickeln, wobei ich den internistischen Bereich etwas stärken möchte. Übergewichtige Menschen werden in unserer Gesellschaft nur zu oft abgewertet und ausgegrenzt. Hier in der Klinik ist mir ein vorurteilsfreier und wertschätzender Umgang besonders wichtig.
Ein weiteres Therapiekonzept bezieht sich auf die Rehabilitanden mit chronischen Schmerzstörungen. Auch diese sind besonders auf ein bio-psycho-soziales Verständnis ihrer Erkrankungen und psychosomatische Behandlung angewiesen. Hier bringe ich durch meine Weiterbildung in Psychosomatischer Schmerztherapie fundierte Kenntnisse und neue Impulse mit.
Schließlich reizt mich das Konzept zur medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation, auch weil psychische Probleme in unserer Gesellschaft eine der führenden Ursachen für Arbeitsunfähigkeit und Frühverrentung sind. Es ist deshalb eine wichtige Aufgabe der Reha, psychisch erkrankten Menschen wieder eine Teilhabe am Erwerbsleben zu ermöglichen und sie in der Bewältigung ihrer beruflichen Probleme zu unterstützen.


Wie lassen sich psychosomatische Erkrankungen erkennen? Bei welchen Anzeichen sollten die Betroffen zu Ihnen in die Klinik kommen? Und wie häufig treten Depressionen, Angst- oder Zwangsstörungen auf und wie beeinträchtigen sie die berufliche Tätigkeit?

Depressionen gibt es sehr häufig. Depressive Menschen sind antriebslos, sind niedergestimmt, das Leben erscheint ihnen sinnlos, sie haben keinen Spaß mehr und geben ihr geliebtes Hobby auf, sie reagieren gereizt, ziehen sich zurück und meiden soziale Kontakte. Das geht also weit über schlechte Laune hinaus. Wer die genannten Anzeichen mindestens 14 Tage lang erlebt, gilt als depressiv. Anzeichen für psychosomatische Erkrankungen können auch chronische Schlafstörungen sein oder sogar lebensmüde Gedanken.
Depressionen beeinträchtigen die berufliche Teilhabe, ja, machen sie oft unmöglich. Viele der Betroffenen befinden sich in einem Teufelskreis, denn berufliche Probleme reduzieren den erlebten Selbstwert und verstärken die Depression. Viele Patienten schleppen diese psychische Krankheit aber schon viele Jahre mit, etwa wenn die Kindheit und Jugend durch Probleme im Elternhaus belastend waren.
Nicht selten kommt es auch zur depressiven Dekompensation, wenn zum Beispiel der Beruf als selbstwertstabilisierender Faktor ausfällt, zum Beispiel bei einem älter gewordenen Dachdecker, der wegen körperlichen Beschwerden nicht mehr arbeiten kann.
Doch so weit muss es nicht kommen. Wer die genannten Warnsymptome hat, sollte das Gespräch mit seinem Hausarzt suchen, der dann beurteilen kann, ob eine weitergehende Reha angestrebt werden sollte.


Welche Ursachen sind häufig Auslöser von psychosomatischen Erkrankungen? Und welche Strukturen im beruflichen Umfeld können psychische Probleme verursachen?

Wir behandeln hier oft Menschen um die 50. Bis zu diesem Alter waren sie engagiert im Job, haben Leistung erbracht. Dann kam beispielsweise die Insolvenz ihrer Firma, sie erfüllten mit ihrem einstigen Schulabschluss nicht mehr die formalen Voraussetzungen für eine andere Beschäftigung und fallen dann in ein psychisches Loch. Viele Ältere haben zudem Probleme mit neuen Computerprogrammen und kommen mit der steigenden Taktfrequenz und großen Arbeitsdichte des Alltags nicht mehr mit. Dann kommt der Jüngere frisch von der Uni, übernimmt die Geschäftsleitung und drängt zu noch mehr Effizienz.
Depressiven wird ja oft gesagt: Du bist faul. Doch das Gegenteil ist der Fall: Depressive Menschen sind oft sehr gewissenhaft, haben lange über ihre Grenzen gearbeitet, bis es zur depressiven Erschöpfung kam.


Mit Ihrer psychotherapeutischen Arbeit wollen Sie die Teilhabe am Erwerbsleben ermöglichen. Wie schaffen Sie das?

Im Bereich der Medizinisch-beruflich orientierten Reha (MBOR) haben wir das Ziel, Menschen mit Behinderungen weiterhin am beruflichen Leben teilhaben zu lassen. In der modernen Arbeitswelt gibt es keine Schonarbeitsplätze mehr. Die Sozialgesetzgebung sieht aber eine Reihe von Fördermöglichkeiten und Integrationshilfen vor. Im engen Austausch mit unserem Sozialdienst beraten wir die Rehabilitanden zu diesen Möglichkeiten.
Im Rahmen der Rehabilitation erstellen wir ein Gutachten zur beruflichen Leistungsfähigkeit und regen Fördermöglichkeiten durch die Rentenversicherung an. Zum Beispiel für eine Krankenschwester, die ihre Belastungen seelisch nicht mehr verkraftet. Besonders für an Depressionen Erkrankte, die sich nur schwer auf etwas Neues einlassen, ist es nicht einfach einen realistischen Weg zu finden. Es geht immer um Loslassen und Anpassen. So helfen wir dabei, Selbstansprüche zu reduzieren und Mut für eine neue Aufgabe zu machen.


Welche psychotherapeutischen und internistischen Methoden wenden Sie an? Wie sieht beispielsweise Ihr Therapiekonzept für adipöse Patienten aus?

Zunächst kann es wichtig ein, zu verstehen, was der Essstörung und dem Übergewicht zugrunde liegt. Manchmal sind es traumatische Erlebnisse oder Gefühle wie Traurigkeit oder Verlassenheit werden durch Essen kompensiert. Dann ist es wichtig, einen anderen Umgang mit den Gefühlen zu lernen. Gerade weil der Patient seinen Körper nicht mehr so gut wahrnimmt, ist auch die internistische Seite wichtig. Bluthochdruck, Diabetes, Fettleber – die Risiken für Übergewichtige sind vielfältig.
Eine internistische Diagnostik mit EKG und Belastungs-EKG ist oft notwendig, um die Rehabilitanden gefahrlos in das Sportprogramm integrieren zu können. Dabei sagen wir nicht: Du hast Bluthochdruck, nun nimm mal ab, sondern sprechen das Problem wertschätzend an. Wenn wir Verständnis zeigen und Unterstützung anbieten, kann der Rehabilitand unsere Empfehlungen viel besser annehmen und wir arbeiten gemeinsam mit ihm an einer Verbesserung.
Bei der interdisziplinären Zusammenarbeit ist der Informationsaustausch aller Berufsgruppen im Team enorm wichtig, um für jeden Patienten eine individuell wirksame Therapie zu finden. Auch wenn unser Schwerpunkt auf der psychosomatischen Reha liegt, so achten wir auf die Verzahnung mit anderen Disziplinen wie der Orthopädie und Physiotherapie, um ein ganzheitliches Bild zu bekommen. Durch die ganzheitliche Sicht finden wir geeignete Wege, den Menschen zu begleiten.


Sie möchten durch Ihre Weiterbildung in Psychosomatischer Schmerztherapie auch in die Reha mit chronischen Schmerzstörungen Impulse einbringen? Wie geht das?

Schmerzpatienten sind oft schwierig für die Ärzte. Sie kommen immer wieder mit Gelenkbeschwerden zum Orthopäden, der aber nichts findet und mit seinen Methoden an seine Grenzen kommt. Zunächst nehmen wir den Menschen ernst, glauben ihm, dass er Schmerz empfindet. Schon das Angenommensein hilft oft.
Dann versuchen wir Ursachen zu finden. Ist es ein Perfektionist, der sich zu viel zumutet? Oder ist die Angst nach einem Unfall die Ursache? Schmerz signalisiert oft, dass auf der psychologischen Ebene etwas nicht stimmt. Denn Schmerz und Angst werden von den gleichen Nervenzellen verarbeitet, und das Gehirn kann nur schwer dazwischen differenzieren.
Wenn wir die seelische Seite des Schmerzes verstehen und bearbeiten, können wir oft eine Besserung der Schmerzen erreichen. Ich halte viel von Edukation, das heißt, wir klären die Rehabilitanden über die Zusammenhänge ihrer Erkrankung auf und helfen so, die Krankheit besser zu bewältigen.

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