Auszubildende erleben Alltagshürden aus Rollstuhlperspektive

Bad Wildungen, 05.07.2024

Am Freitag ging die spannende Aktionswoche unter dem Motto "An den Rollstuhl gefesselt?!" des Wicker-Bildungszentrums zu Ende. Die 18 angehenden Pflegefachkräfte der Klasse PFK26 hatten dabei die Möglichkeit, die alltäglichen Herausforderungen von Menschen mit Handicap aus der Perspektive von Rollstuhlfahrern zu erleben.

Rollstuhlselbsterfahrung: Eine Woche voller Erkenntnisse

Im Rahmen der Aktionswoche begaben sich die Auszubildenden abwechselnd in Rollstühle und erkundeten die Städte Kassel, Bad Wildungen und Fritzlar auf deren Barrierefreiheit. Sie meisterten alltägliche Aufgaben wie Einkaufen, Café-Besuche, Behördengänge, das Abheben von Geld und die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Dabei erfuhren sie hautnah, wie ihre Umwelt auf Rollstuhlfahrer reagiert und wie sich ihre eigenen Wahrnehmungen und Gefühle veränderten.

"Die meisten Passanten und Mitarbeitenden in den Geschäften waren unglaublich hilfsbereit", berichtete eine Auszubildende. "Doch wir mussten auch mitleidige Blicke und unsensible Kommentare ertragen. Das hat uns gezeigt, wie wichtig Verständnis und ein Bewusstsein für die täglichen Kämpfe von Rollstuhlfahrern sind."

Erfahrungen aus erster Hand: Dialog mit einer langjährigen Patientin

Ein Höhepunkt der Woche war das Gespräch mit einer Patientin der Werner Wicker Klinik, die seit rund 20 Jahren nach einem Fenstersturz im Rollstuhl sitzt. Sie teilte offen ihre Erfahrungen, Sorgen und Tipps mit den Auszubildenden. "Es war nicht immer einfach, aber ich war schon immer so, dass ich stets versucht habe, das Beste aus der Situation zu machen. Vieles hängt von der eigenen Einstellung zu den Dingen ab", erzählt sie. Ihre Einblicke beeindruckten die Auszubildenden und regten sie zum Nachdenken über ihre zukünftige Arbeit als Pflegefachkräfte an.

Fazit der Auszubildenden: Neue Perspektiven und Dankbarkeit

Am Ende der Woche ziehen die Auszubildenden ein sehr positives Fazit dieser Selbsterfahrung der besonderen Art. "Ich wusste, dass es Herausforderungen und Barrieren gibt, aber ich hätte nie gedacht, dass es so viele sind, bis ich selbst im Rollstuhl saß", sagt ein Auszubildender. "Diese Erfahrung hat meinen Blickwinkel nochmal ganz stark verändert", ergänzt ein anderer. Alle Azubis äußerten ihre Dankbarkeit dafür, als Fußgänger selbstständig unterwegs sein zu können und betonten, dass noch viel getan werden müsse, um Barrieren abzubauen und eine wirklich gleichberechtigte Gesellschaft zu schaffen.

Lehrer und Auszubildende ziehen Bilanz

Alexander Sewelies, der die Projektwoche als Coach und Pädagoge begleitete, hob die Bedeutung solcher Projekte hervor: "Unsere Auszubildenden haben nicht nur theoretisches Wissen erworben, sondern auch wertvolle praktische Erfahrungen gemacht, die sie in ihrer zukünftigen Arbeit sensibilisieren und stärken werden."

Die Auszubildenden bilanzierten ihre Erkenntnisse und Verbesserungsvorschläge in ausführlichen Präsentationen. Mit Stadtplaner Robert Hilligus und Anne Richard vom Tiefbauamt nahmen auch Vertreter der Stadt Bad Wildungen daran teil. "Wir freuen uns, dass die Stadt Bad Wildungen unserer Einladung gefolgt ist", betonte Sewelies. Hilligus erläuterte die Umbaupläne für den Marktplatz in Bad Wildungen, der künftig kinderfreundlich und barrierefrei gestaltet werden soll. Er betonte, dass es immer einen Kompromiss zwischen städtebaulichen Vorgaben, Barrierefreiheit und ansprechender baulicher Gestaltung geben muss. Die Stadt denke diese Aspekte mit und sei sehr daran interessiert, Barrieren weiter abzubauen, um öffentliche Räume für alle zugänglich und attraktiv zu gestalten.